Sonntag, 5. August 2012

Filmtagebuch: Berlin '36 (2009)

Im Sommer 1936 gaben sich die Nationalsozialisten noch bis zu einem gewissen Grad weltoffen. Berlin '36 fängt zu Beginn anschaulich die Bemühungen der Deutschen ein, den drohenden Olympia-Boykott des US-Teams zu verhindern. Zähneknirschend wird also die Jüdin Gretel Bergmann in die deutsche Mannschaft berufen, schon im Trainingslager wird sich allerdings zeigen, dass dies nur eine vorübergehende Nominierung sein soll. Die "arischen" Mädchen lassen keine Gelegenheit aus, Gretel zu schikanieren und da der Nationaltrainer offenbar gewillt ist, alle Sportlerinnen gleich zu behandeln, wird dieser kurzerhand ersetzt. Doch Gretel ist nicht allein in der Außenseiterrolle. Ihre Zimmergenossin Marie, die von Beginn an recht eigenbrötlerisch wirkt, entpuppt sich als Mann, was die beiden letztlich zusammenschweißt.
Die wahre Geschichte, auf der Berlin '36 beruht, kam erst Jahrzehnte nach Ende des Krieges zum Vorschein, insofern ist die große Leistung des Films, sie entdeckt und sich ihrer angenommen zu haben. Wie er dies tut, ist allerdings mindestens diskussionswürdig. Look und Ausstattung sorgen zwar für eine realitätsnahe Optik, doch wurde die historische Wahrheit zugunsten der Dramaturgie an einigen Stellen sehr strapaziert. Weder haben die Nazis Marie (oder Dora Ratjen, wie die Figur tatsächlich hieß) zu den Olympischen Spielen eingeschleust, wie es der Film glauben machen will, noch ist die echte Gretel hinter das Geheimnis ihrer Sportlerkollegin gekommen. Außerdem erweisen sich zwei derart sensible Schicksale schnell als zu umfangreich für einen Spielfilm normaler Länge. So bleibt leider vieles offen, unbeantwortet oder kommt über einen interessanten Ansatz nicht hinaus. Stattdessen machen sich die üblichen Klischees und alles andere als unerwartete Wendungen breit.
Ein wenig hat man das Gefühl, dass dieses wirklich außergewöhnliche Thema beinahe verschenkt wurde, wer keine historisch und psychologisch präzise Aufarbeitung erwartet, wird sich aber immerhin nicht langweilen - was vor allem an den Darstellern liegt: Karoline Herfurth ist wie üblich großartig, Axel Prahl übertrifft sich selber und spielt sich als zwischen den Stühlen sitzender Nationaltrainer in die Herzen des Publikums.

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