Mittwoch, 10. Oktober 2012

Filmtagebuch: Das Wiegenlied vom Totschlag (1970)

Ein Kavallerie-Trupp wird von Indianern massakriert. Einzige Überlebende sind der Soldat Honus Gent und Cresta, die gerade erst aus den Händen der Cheyenne befreit worden war, wo sie als Frau des Häuptlings Gefleckter Wolf lebte. Die Zeit unter den Indianern hat Cresta stark geprägt und weder passt die rülpsende und fluchende Frau zu dem braven Soldaten, noch lassen sich ihre durch die Gräueltaten weißer Männer gegenüber den Eingeborenen beeinflussten Ansichten mit dem naiven Patriotismus von Honus vereinbaren. Auf dem gemeinsamen Weg zu einem sicheren Fort wachsen die beiden aber schließlich doch zusammen, bis Honus genau wie Cresta die Verbrechen der Armee verurteilt. Zu spät, wie beide bald erkennen müssen, denn ein grausamer Vergeltungsschlag für den Überfall wird sich nicht mehr aufhalten lassen.
Ralph Nelsons Soldier Blue gilt als einer der umstrittensten Western überhaupt. Das ist nur zu verständlich, zeigt der Film doch zum einen unfassbar explizite Grausamkeiten und stellt zum anderen erstmals das romantisch verklärte Wertesystem des amerikanischen Westerns auf den Kopf. Nelson ahmt zugleich nach und nimmt vorweg, indem er die Brutalität des Italo-Westerns übernimmt und die kritische Auseinandersetzung mit den Indianerkriegen als einer der ersten Filmemacher thematisiert. Ebenfalls an europäische Western angelehnt sind die pessimistische Grundstimmung und das völlige Fehlen des wirklich "Guten". Honus verteidigt in seiner Unwissenheit den Völkermord, Cresta ist von den Indianern traumatisiert, verachtet aber auch die Weißen. Und während diese ohnehin als mordlüsterne Sadisten gezeichnet werden, taugen auch die Ureinwohner Amerikas mit ihren grausamen Ritualen kaum als Identifikationsfiguren.
Das Wiegenlied vom Totschlag erweist sich letztlich als durch und durch unangenehmer Film, der ohne echte Protagonisten einem beinahe unerträglich schockierendem Finale entgegen taumelt. Inszenatorisch kann Nelson weder seinen italienischen, noch amerikanischen Vorbildern das Wasser reichen, und auch Story und Dialoge sind andernorts ausgereifter. Die historische Bedeutung und erst recht die einem Tiefschlag gleichkommende Wirkung kann man dem Film jedoch um nichts in der Welt absprechen. Pflichtveranstaltung für jeden Western-Fan!