Mittwoch, 19. September 2012

Filmtagebuch: Mad Circus (2010)

1937, Spanien ist vom Bürgerkrieg aufgerieben, als Milizen eine Zirkusvorstellung stürmen und die Artisten zwangsrekrutieren. Im Handumdrehen findet sich der Clown mit einer Machete bewaffnet im blutigen Kampf gegen Faschisten wieder. Mehr als 30 Jahre später heuert sein Sohn Javier als "Trauriger Clown" in einem Zirkus an. Hier begegnet er der schönen Natalia, in die er sich prompt verliebt, die jedoch bereits an Sergio vergeben ist. Dieser gibt in der Manege den "Lustigen Clown", erweist sich aber im wahren Leben recht schnell als ausgemachter Sadist, vor dessen Gewaltausbrüchen weder Natalia, noch sonstjemand sicher ist. Javier ist gewillt, seine Angebetete vor dem Tyrannen zu retten, doch offenbar fühlt sich die blonde Schönheit von der Brutalität ihres Mannes eher erregt denn abgestoßen. Eine Spirale von Begierde, Wut und Verzweiflung setzt sich in Gang, die unweigerlich alle drei Figuren ins Verderben ziehen wird. 
Álex de la Iglesia (Perdita Durango, El día de la bestia, 800 Bullets) verarbeitet in seiner Ballade von Liebe und Tod, so der dem Originaltitel Balada triste de trompeta etwas näher als der kommerziell wohl vielversprechendere "deutsche" Titel Mad Circus stehende Titelzusatz, die Geschichte seines Landes auf die denkbar groteskeste Weise. Eine bizarre Zirkustruppe als Repräsentanten der Gesellschaft zwischen Liebe, Hass und den Wirren von Krieg und Diktatur. Knallbunt, abgefahren und brutal - und von der ersten bis zur letzten Sekunde verdammt hintergründig.

Sonntag, 16. September 2012

Filmtagebuch: 66/67 - Fairplay war gestern (2009)

Was das Autoren- und Regie-Duo "Ludwig & Glaser" hier geschaffen haben, lässt sich nur schwer als Ganzes beschreiben. Man kann 66/67 als typischen Fußball- oder Hooligan-Film sehen, wird dann jedoch über die wenigen Gewaltszenen enttäuscht sein. Die Erzählstruktur legt einen Vergleich zu Gang- oder Drogen-Filmen wie Trainspotting nahe, doch das wäre eine allzu oberflächliche Betrachtungsweise. Am ehesten will der Film selbst offensichtlich in die Richtung Coming-of-Age gehen, da ihm aber auch das nur zum Teil gelingt, darf man 66/67 wohl getrost als eine ungewöhnliche Mischung aus all diesen Genres bezeichnen. Das Thema Fußball und Gewalt ist dabei selbstverständlich immer präsent, gerät allerdings letztlich zum Vehikel für die Charakterisierung der sechs zentralen Figuren.
Florian und Otto stehen dabei im Vordergrund, der eine Anführer und Sprachrohr der sechs gewalttätigen Fans von Eintracht Braunschweig (welche sich die titelgebende Saison, in der der Verein das einzige Mal Deutscher Meister wurde), der andere der quirligste und explosivste unter den Kumpels. Während Florian sein bereits erfolgreich erworbenes Diplom vor Vater und Freundin geheimhält, um nicht in die Verlegenheit zu kommen, seine Rolle in der Truppe für einen möglichen Job opfern zu müssen, hadert Otto mit seiner Homosexualität, die ihn in der Hoolszene angreifbar macht, wobei seine extreme Aggressivität eine schwule Beziehung in unerreichbare Ferne rückt. Ihre jeweiligen Verhaltensweisen rechtfertigen die beiden dabei mit äußerster Irrationalität. Selbstgerecht und ignorant und schließlich mit dem Rücken an der Wand stehend, sich in vermeintliche Loyalität, Ehre und Stolz und letztendlich in Gewalt flüchtend.
Von den anderen vier Freunden sticht lediglich der nerdige Christian hervor, der sein Leben bereits bis ins Jahr 2054 akribisch durchgeplant hat. Als er seine Vorstellungen von Beruf und Familie plötzlich vor dem Kollaps sieht, entlädt sich dieser Frust in einem Gewaltexzess. Christians Welt ist allerdings nicht die einzige, die vor dem Einsturz steht. Die Hool-Truppe zerbröckelt langsam aber sicher, nachdem sich mehr und mehr Mitglieder einem bürgerlichen Leben widmen und der Gewalt den Rücken kehren, und auch die Eintracht selbst steht vor dem Absturz in die Viertklassigkeit.
In der Breite scheitert 66/67 letztlich an der etwas zu weitläufigen Welt, die der Film aufbaut. Sechs Schicksale beleuchtet man nicht mal so eben in zwei Stunden, auch nicht wenn nur zwei, allenfalls vier davon wirklich in die Tiefe gehen. Hier bleibt einfach zu viel ungeklärt und unerklärt, was aber in gewisser Weise auch zur Irrationalität der Figuren passt. Allerdings sind da ja auch noch die Komponenten Fußball und Gewalt, die eigentlich nur angerissen werden und die Hauptklientel, die der Film anlocken dürfte, enttäuschen wird. Als kruder Genremix von einer Milieustudie funktioniert 66/67 dann aber vor allem dank der unbeschreiblich intensiv und authentisch spielenden Hauptdarsteller ausgesprochen gut.

Sonntag, 2. September 2012

Filmtagebuch: Nazi Sky (2012)

Tief unter der Antarktis, im Innern der Erde, bereitet eine Armee von Nazis, die den Krieg überlebt haben, das 4. Reich vor. Allen voran der diabolische Dr. Mengele, dem es sogar gelingt, Adolf Hitler höchstpersönlich zu neuem Leben zu erwecken. Genauer gesagt dessen Kopf in einem Roboterkörper...
Noch Fragen? Die Schrott-Schmiede The Asylum wirft sich ins Fahrwasser von Iron Sky - auch wenn man selbst so tut, als hätte man nie etwas von diesem anderen Nazis-bereiten-den-Angriff-auf-unsere-Welt-vor-Flick gehört. Immerhin: Während der deutsche Titel den Film zu einem reinrassigen Mockbuster degradiert, kommt Nazis at the Center of the Earth auf dem internationalen Markt nicht ganz so plump daher. Und wird dem Film nebenbei bemerkt auch weitaus mehr gerecht. Denn trotz aller Abwegigkeit ist es Regisseur Joseph J. Lawson gelungen, einen stimmigen, rasanten und bis auf einige der CGI-Effekte professionellen Film zu erschaffen. Ein Schlüssel dazu ist der totale Verzicht auf das gängige Genre-Muster, die eine oder andere Nebenhandlung einzustreuen, womit zwar üblicherweise Zeit gut gemacht wird, was aber auch oft zum Gähnen anregt. Lawson teilt vielmehr seinen Film in vier stilistische Teile auf und sorgt damit immer wieder aufs Neue für Überraschungen. Nazis at the Center of the Earth beginnt in seiner Exposition als handelsüblicher Kriegsfilm. Nach dem Sprung ins Jahr 2012 und in die Antarktis steht der Abenteuer-Teil ins Haus, in dem ein Forscherteam den Eingang zum Erdinnern findet und die geheimnisvolle Jules Vernes-Welt unter dem Ewigen Eis erkundet. Von Mengele und seinen SS-Schergen umstellt, verwandelt sich das Abenteuer der jungen Wissenschaftler in einen Horrortrip alter Schule. Der Schlächter von Auschwitz zwingt sie dazu, ihm bei seinen perversen Experimenten behilflich zu sein, und wer nicht folgt, der findet sich schnell als Versuchsobjekt wieder. Dieser dritte Abschnitt ist ganz sicher der stärkste im Film, spielt er doch gekonnt mit der Verbindung aus Nazithematik, Horrorelementen und einigen ansehnlichen Splattereinlagen. Einzig der durchexerzierte Gang in die "Duschen" wirkt etwas unnötig und damit spekulativ geschmacklos. Im letzten, Sci-Fi-artigen Viertel darf sich dann Hitler himself so richtig austoben, sich in seiner an Futurama erinnernden Wasserglocke stets an der Grenze zur Lächerlichkeit bewegend.
Wer eine raffinierte Handlung erwartet oder sich von miserablen Digitaleffekten abschrecken lässt (wobei einige auch annähernd realistisch wirken, Dinge wie ein Schneemobil, das etwa die Qualität eines 90er-PC-Games hat, bleiben jedoch ganz einfach im Hinterkopf), soll halt die Finger davon lassen. Ohne derartige Ansprüche und mit auf Sparflamme gestelltem Verstand lässt sich Nazis at the Center of the Earth vorzüglich genießen. Ganz sicher der beste Film aus dem Hause Asylum.